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2023
14
Feb

Überlebt!

Vorgestern wären wir beinahe ertrunken. Unser Freund Maikeli (von der Insel Matuku) hatte nicht so viel Glück. Er wurde gestern begraben. Wir sind traurig, immer noch in Schock. Wir gingen auf kein riskantes Abenteuer, wir sollten nur schnell ein paar Unterwasserfotos von einem Pass schießen, damit er sie für einen Regierungsantrag zur Unterschützung eines Projekts für nachhaltigen Fischfang verwenden könnte.

Wir wollten eigentlich nicht gehen, der Himmel war bewölkt und außerdem waren wir beide verkühlt, aber wir wollten Maikeli auch nicht enttäuschen und natürlich wollten wir die Umweltschutzmaßnahmen hier auf unserer Lieblingsinsel in der Lau-Gruppe unterstützen. Also fuhren wir mit seinem 24 Fuß offenen Boot nach Süden zum Daku Pass. Schon bei der Anfahrt sahen wir, dass die Dünung höher war als erwartet und wir hätten mit unserem Dinghi bei solchen Bedingungen abgedreht, aber wir verließen uns auf Maikeli’s Einschätzung – immerhin hatte er die letzten 58 Jahre auf dieser Insel verbracht. Der Pass ist kurz und schon beim Hinausfahren merkten wir, dass die Strömung nicht wie laut Tidentabelle einlaufend war, sondern wegen der hohen Dünung bereits hinaus ging! Zusätzlich versetzte uns eine seitliche Strömung nach links, auf die Brecher hin.

Plötzlich baute sich eine gigantische Welle vor dem Boot auf – eine vertikale, 5 Meter hohe Wand. Maikeli gab Vollgas, versuchte über die Welle zu kommen, doch wir hatten keine Chance. Das Boot überschlug sich rückwärts und krachte gemeinsam mit ein paar Tonnen Pazifik auf uns hinab. Wer noch nie von einem Brecher mitgerissen wurde, kann sich die Panik nicht vorstellen. Man wird herumgewirbelt, es ist unglaublich laut, rundum nur aufgewühltes Türkis, kein Gefühl mehr für oben und unten, keine Luft mehr in der Lunge, dann wird man doch ausgespuckt, hustend und abgeschürft. Dann brach die nächste Welle, noch einmal der gleiche Kampf und dann noch eine, bis wir wieder auf dem seichteren Teil des Riffs waren. Das gekenterte Boot hatte den gleichen Weg gemacht, sich aufgerichtet, der Anker war herausgefallen und so hatte es sich selbst verankert – voller Wasser, aber der Bug ragte heraus. Christian schaffte es zum Boot und kletterte hinauf, rief nach uns, winkte, doch Maikeli und ich wurde von der Strömung weitergerissen, wieder hinein in den Pass und hinaus Richtung Pazifik, wo der sichere Tod wartete. Ich schaute zurück zu Christian, sicher, dass ich ihn nie wiedersehen würde. Alles schien surreal, was für eine sinnlose Art zu sterben. Das konnte es einfach nicht gewesen sein. Gegen 4 Knoten Strömung kann man nicht anschwimmen, man muss immer seitlich zum Strom schwimmen. Ich mobilisierte meine Reserven, schwamm um mein Leben und schaffte es an den Rand des Passes zu kommen – dort wo uns die brechenden Wellen erwischt hatten. Ich hatte es einmal geschafft, ich konnte es mit ein wenig Glück ein zweites Mal. Wieder erfassten mich die meterhohen Brecher, wieder wurde ich dreimal durchgewirbelt und wieder spuckten sie mich auf dem Riff aus. Dieses Mal schaffte ich es zum Boot und Christian zog mich hinein, doch wir waren noch nicht in Sicherheit. Wir waren in einer prekären Lage: knapp am drop-off in den Pass, somit wirbelte eine starke Strömung durchs vollgeschlagene Boot und auch so nah am Rand des Außenriffs, dass immer noch gelegentlich Wellen gegen die Bordwand brachen. Während wir uns an der Ankerleine festklammerten, konnte ich bei jedem Atemzug spüren, wie gebrochene Rippen auf meiner rechten Seite gegeneinander rieben.
Christian stand die meiste Zeit im Boot, hielt Ausschau nach Maikeli und anderen Booten, rief nach Hilfe.

Es dauerte eine Stunde, bis endlich ein Boot in der Lagune vorbei kam und auf uns aufmerksam wurde. Sie fuhren erst zu Maikelis Dorf Makadru, wir erzählten in Stichworten was geschehen war und dann brachte uns das Boot heim zu Pitufa, während langsam eine Suchaktion mit lokalen Booten anlief. Wir wuschen unsere Wunden und Christian baute im Salon einen Polsterturm wo ich mich halbwegs schmerzfrei halb liegend anlehenen konnte (dort sitze/liege ich seitdem). Es gibt normalerweise einen Arzt hier, doch dieser ist gerade in Suva und ohne Röntgengerät könnte er ohnehin nicht viel diagnostizieren (wir haben das “Spital” mit ein paar Betten und einem Vorrat an Medikamten letzes Mal besucht). Ron, der hilfsbereite Krankenpfleger des Spitals kam zu uns an Bord, hörte mich ab, checkte Sauerstoffsättigung und Herzrate und bestätigte, dass ich zumindest 2, vielleicht auch 4 gebrochene Rippen habe. Er bandagierte mich und versorgte uns mit Schmerzmitteln und Antibiotika. Nachdem ich atmen kann und kein Blut huste, dürften meine Lungen okay sein. Zwischenzeitlich wurde Christian zweimal abgeholt und für Telefonate an Land gebracht (es gibt hier nur Festnetz beim Bürgermeister), um erst der Polizei und dann der Navy von den Ereignissen zu berichten, doch es dauerte mehrere Stunden, bis wir endlich ein Flugzeug (oder eine Drohne) hörten. Während der Nacht hofften wir noch, dass Maikeli durch ein Wunder überleben könnte, doch am Morgen wurde seine Leiche gefunden.

Es ist einfach unfassbar, wie schnell ein ganz normaler Ausflug in ein Desaster umschlagen kann. Wir sind vorsichtige, bedachte Menschen, waren in den 11 Jahren unserer Reise noch nie in ernster Gefahr. Dem Tod gleich mehrmals in die Augen zu schauen, hat uns durch und durch erschüttert. Unser Plan war, die Lau Gruppe noch weiter zu genießen, doch jetzt müssen wir zum Spital in Suva segeln, sobald das Wetter es zulässt und dann steht mir eine langwierige Rekonvaleszenz bevor (6 Wochen brauchen Rippen zum Heilen, zumindest laut unserer Offline Wikipedia). Christian tut auch alles weh, er hat sich beide Schultern verletzt, kann kaum nach oben greifen und nur mit Schmerzmitteln schlafen. Doch wir beschweren uns sicher nicht. Wir sind einfach nur froh, dass wir noch da sind, einander noch haben.

6 comments

  1. Stefan says:

    Oh ihr lieben, dankbar, dass ihr noch lebt und in stillen gedanken bei eurem freund. Herzlich stefan

  2. Joachim says:

    Hi ihr Beiden,
    Unfassbar, schrecklich, Horror und sehr taurig. Mir fehlen die Worte. Erholt euch gut und viel Kraft beim Verarbeiten des Verlustes eures Freundes.

  3. Brigitte says:

    Schock! Unvorstellbar! Wir wünschen euch baldige Besserung. Kommt gut nach Suva.
    Brigitte und Ferry

  4. Roswitha Feldbauer says:

    Ich kann gar nicht sagen, wie froh ich bin, dass ihr überlebt habt und es euch einigermaßen gut geht. Mir wurde fast schlecht beim Lesen. Paßt auf euch auf.

  5. Ingo says:

    Wir freuen uns auch dass es für Euch glimpflich ausgegangen ist. Hoffentlich müsst Ihr sowas nicht nochmal “erleben” …

  6. Cornelia says:

    Wünschen Euch gute Besserung. Beachten, trotz Schmerzen wegen den Rippen, immer tief in die Lungen atmen damit diese gut belüftet werden und keine Lungenentzündung entsteht.

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